Der Schaumgeborene Venus
Ein gelungener Kisch-Abend / Kulinarische Lesung im Café NebenAn in Visselhövede
VlSSELHÖVEDE (iip) . Für einen Abend weilte jetzt der „Rasende Reporter“ in Visselhövede. Der Journalist Egon Erwin Kisch berichtete in fünf ausgesuchten Geschichten aus seinem Leben als „Schreiberling“, Der Hamburger Schauspieler Hans-Christoph Michel lieh dem im Jahre 1948 verstorbenen Kisch bei der gelungenen kulinarischen Lesung im Cafe NebenAn in Visselhövede unter dem Motto „Groschengeschichten“ seine wohlklingende Stimme. Michel wurde am Klavier von Christiane Hrasky musikalisch begleitet. Insgesamt fünf Texte von Egon Erwin Kisch las Hans-Christoph Michel, Mitglied der HamburgerTheaterManufaktur. Fünf Texte die zeigten, welche sprachliche Bandbreite der „Rasende Reporter“ aus Berlin in seinen Berichten abdeckte.
Vorgestellt wurden „Das ist ein Theater in Aserbaidschan!“, „Magdalenenheim“, „Des Parschkopfs Zähmung“, „Elliptische Tretmühle“ und „Seltsames Gehaben eines türkischen Bademeister“. Alle ein Beweis dafür, dass es im Genre „Journalismus“ sprachlich auch anders zugehen kann. In der Geschichte „Seltsames Gehaben eines türkischen Bademeisters“ begibt sich Kisch unter die Fittiche eines Masseurs in einer Badeanstalt in Berlin. Der Mann aus der Türkei, einer „nur mit Lendenschurz“, flößt ihm Respekt ein und knetet ihn richtig durch. Und nach dem abschließenden Bad geht Kisch als „schaumgeborener Venus“ auf, der anfangs nie wieder einen Fuß in den Massageraum setzen will, letztlich aber doch wieder „ein Sultan sein und auch so behandelt werden möchte“. Aber warum haben sich Hans-Christoph Michel und seine Partnerin Christiane Hrasky gerade Kisch ausgesucht? – „Ganz einfach“, erklärt Michel. „Kisch ist einfach grandios. Er schrieb sensationelle Texte. Ich für meinen Teil meine, dass sie Perlen des Journalismus sind.“ Die Idee für eine „Kisch-Lesung“ erwuchs den beiden Hamburger Künstlern bei einem Liederabend. „Die Geschichte vom Bademeister war mir noch in Erinnerung“, erläutert Michel, „Danach haben wir uns zusammengesetzt und die Texte anhand der Gesamtausgabe zusammengestellt.“
Vor allem habe es ihm vom „Rasenden Reporter“ die „Elliptische Tretmühle“, in der das Berliner Sechs-Tage-Rennen beschrieben wird, angetan. Denn im „Oval der Rennbahn, in dem 16 Männerbeine sechs Nächte Tausende von Metern fahren, immer rechts – links, dreht sich nichts anderes als der Mensch sinnlos im Kreis“.